Unoriginelle billige Anmerkungen

Mir geht ja zunehmend auf den Sack, wenn Leute versuchen vermeintlich negativ besetzte Wörter zu vermeiden.
Heute sind mir wieder diverse Versuche ein Teil das weniger Geld kostet nicht als "billig" zu bezeichnen aufgefallen.

Mal unabhängig davon, was das Wort "billig" eigentlich bedeutet (nämlich soviel wie "angemessen", demzufolge ist das Gegenteil "teuer" eben einfach nur unangemesssen. Vergleiche "unbillig" oder die Redensart "das ist nur recht und billig"), so wird es ja heute vor allem als "kostet weniger" verwendet, oft mit der Konnotation "ist minderwertig".

Um diese Konnotation nun zu vermieden, begibt man sich auf das dünnes Eis des Euphemismus. Der Klassiker ist "preiswert". Dies ist tatsächlich eine sehr gute Übersetzung der eigentlichen Bedeutung von billig, mir lag aber schon mit 12 oder so die Frage auf der Zunge: Das teurere ist also seinen Preis NICHT wert?

Besonders deutlich wird das bei der Steigerungsform: preiswert, preiswerter, am preiswertesten.

Das Preiswerteste ist natürlich das, was am wenigsten kostet, nach der Sprachlogik ist alles andere einfach nur Überteuert. Und was soll ich sagen: Das stimmt dann oft sogar.

Wie immer bei den Versuchen, ein negativ besetztes Wort durch ein "neutrales" oder einen Euphemismus zu ersetzen, färbt die negative Konnotation aber schnell auf das neue Wort ab, sodass bald erneut ein anderes gesucht werden muss. Das Schicksal lässt sich z.b. fein an Bezeichnungen für Personen mit Behinderungen sehen. Eigentlich hiessen die "Krüppel" (was nur "der Gekrümmte" bedeutet). Das wurde dann irgendwann abwertend und als Schimpfwort eingesetzt, vor allem gegen Leute die nicht verkrüppelt waren. Also musste was neues Neutrales her: Invalide oder auch "Versehrter". Dauerte nicht lange, da ging das auch nicht mehr und wurde durch "Behinderter" ersetzt, dass man dann später noch etwas abschwächen musste: "Mensch mit Behinderung". Aktuell gibt es Tendenzen, die negative Konnotierung von "Behinderung" durch Umbenennung vollständig zu ersetzen. Ganz oben ist: "Mensch mit besonderen Bedürfnissen".

Brauchen wir ja nur drauf zu warten, bis "du Mensch mit besonderen Bedürfnissen" zu jemand zu sagen eine subtile Form der Beleidigung darstellt und in 20 Jahren gehts dann von vorne los.

Das ganze nennt man übrigens "Euphemismus-Tretmühle"

Zurück zu "preiswert". Damit das nicht so "preiswerte" nicht als überteuert dasteht, wird von den Anbietern der teuren Ware der Eindruck gefördert, es handele sich um höherwertige Ware, die ihren Preis ebenfalls Wert sei. Im Umkehrschluss ist das preiswertere auf einmal minderwertig.

Wieder ein Wort verbrannt, also von vorne. Aktuell ist billiger Kram vor allem "günstig". Mein 12-jähriges Ich sagt natürlich sofort: "Das Teure ist also ungünstig?", während die Eupemismus-Fans eine neu Taktik versuchen. Der drohenden Übernahme der negativen Konnotation wird frühzeitig vorgebeugt, indem man eine Noname-Marke z.b. "Gut und Günstig" nennt, also gleich darauf hinweist, dass es zwar billich aber nicht minderwertig sei. Anderer Versuch ist, die "Günstigkeit" gleich auf den Preis alleine fest zu nageln: Es ist "preisgünstig". Man erwartet also, dass günstig=minderwertig sowieso bald gegeben ist und will damit sagen: Nur der Preis ist minderwertig, die Ware aber nicht.

Das wird natürlich nicht klappen. Vielmehr wird "preisgünstig" als Gesamtbegriff bald für minderwertig stehen. Wenn's nicht jetzt schon so ist.

Wenn also heute in einem Artikel zu lesen ist, Apple plane ein "günstiges" iPhone herauszubringen, löst das bei mir nur noch Gähnen ob der Langeweile meiner eigenen Beissreflexe aus (bitte laut mit monotoner aber gleichzeitig leicht generfter Stimme vorlesen):

Aha, das normal iPhone ist also nicht günstig, das wusste ich doch schon immer, überhaupt ist "Apple" und "Günstig" in einem Satz nicht sowieso quatsch, wahrscheinlich ist das aus Plastik mit weniger Speicher, also minderwertiger Schrott, das will ja keiner, lalala, und so weiter und so focht.

Ich versuche jetzt zu raten, was als nächstes anstatt "billig" kommt. Ich nehme Vorschläge entgegen.

Wie wär's mit "Kostenoptimiert"? Mir ist so, als hätte ich das schon mal gehört.

(Update: Ein Leser teilt mir mit, "Kostenoptimiert" habe ihn an einen Fertigfischsalat eines deutschen Herstellers erinnert, der seit Neuestem mit "Mit optimierter Rezeptur" wirbt. Da fängt's im Kopp aber auch gleich an zu rattern, was das wohl meinen kann, nicht wahr?)